Stellungnahme des VBE NRW: Jetzt umsteuern und Weichen stellen für einen zeitgemäßen, attraktiven Arbeitsplatz Schule
Der VBE NRW nimmt zum vorliegenden Antrag wie folgt Stellung:
Der VBE NRW hält die Fortsetzung des Diskurses über die Herausforderungen des Personalmangels, die Attraktivierung des Arbeitsplatzes „Schule“ sowie über das „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ für dringend geboten und begrüßt von daher grundsätzlich den entsprechenden Anstoß seitens der FDP-Fraktion in Form des vorliegenden Antrags.
Die Sicherstellung des Unterrichts stellt die wichtigste Säule des schulischen Bildungssystem dar, bereits seit geraumer Zeit aber droht sie unter der Last des verheerenden Personalmangels einzustürzen. Nicht nur das durch das Ministerium vorgelegte Maßnahmenpaket zeigt, dass die Notsituation immer mehr ins politische und öffentliche Bewusstsein rückt, es ist schließlich nicht das erste seiner Art, es verdeutlicht jedoch eindringlich, wie schwer die Versäumnisse der Vergangenheit wiegen. Seit Jahren verweist der VBE NRW wiederholt auf die personellen Engpässe in den Schulen.
Der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion benennt auf der einen Seite wichtige Kritikpunkte, denen auch aus Sicht des VBE NRW gegengesteuert werden muss, auf der anderen Seite halten wir die seitens der Antragstellenden präsentierten Lösungsansätze in Teilen für diskussionswürdig.
Zu den im Einzelnen aufgeführten Forderungen des Antrags (siehe S. 3f.), ...
a) ... „sich ein umfassendes Bild zu machen, aus welchen Gründen der Lehrerberuf für viele Menschen offenbar nicht mehr leistbar ist oder gar nicht erst ergriffen wird [...]“ sowie „sich ein umfassendes Bild über notwendige Veränderungen beiden Arbeitsbedingungen zu machen, [...]“:
Der VBE NRW begrüßt die Intensivierung einer Ursachenforschung und regt an, bereits vorliegende empirische Befunde mitzuberücksichtigen (so etwa Daten zum Studienabbruch). Die Situation der Studierenden gilt es in den Blick zu nehmen, insb. die finanzielle Herausforderung der Studierenden während des Praxissemesters.
Zudem wäre es gewinnbringend, auch Ursachenforschung im Bereich des Abbruchs in der zweiten Phase der Lehramtsausbildung näher zu betrachten.
Ergänzt werden könnten die Forderungen um folgende weitere Fragen:
Welche Faktoren und Situationen werden von (angehenden) Lehrkräften als besonders belastend erlebt? Wer sind die „konkurrierenden“ neuen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, von denen sich die (angehenden) Lehrkräfte bessere Arbeitsbedingungen erhoffen?
b) ... „die geplanten Maßnahmen zur Verschlechterung der Arbeitsplatzattraktivität zurückzunehmen“:
Der VBE NRW unterstützt die Forderungen der FDP-Fraktion, die Maßnahmen zur Teilzeitregelung, zu den Abordnungen und zur Ausweitung des Einsatzradius zurückzunehmen.
Bereits mehrfach hat der VBE NRW darauf aufmerksam gemacht, dass diese Maßnahmen dem Ziel einer Attraktivierung des Lehrkräfte-Berufes entgegenwirken.1
Stets mitzudenken ist der Grundsatz der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege. Die Bedürfnisse der Rückkehrenden sollten hierbei berücksichtigt werden, bspw. durch die Bereitstellung eines Kitaplatzes bzw. durch die Schaffung besserer Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
c) ... „das Konzept Unterrichtsversorgung um Maßnahmen zu ergänzen, die die Lehrkräfte entlasten, [...]“:
Den sog. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern sowie Vertretungslehrkräften größere Anreize durch höhere (Einstiegs-)Gehälter zu ermöglichen, ist aus Sicht des VBE NRW nicht ausreichend. Im Sinne des pädagogischen Auftrags der Schule ist es vielmehr entscheidend, diese Menschen professionsspezifisch einzusetzen, zudem sollten sie bestmöglich fortgebildet werden. Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Ziele einer höheren Qualifikation sollten dann auch zu einer Anpassung in der Besoldung führen. In Rechnung zu stellen ist zudem, dass die Ermessensspielräume bei der Anrechnung vorheriger Berufserfahrung seitens der einstellenden Behörden sehr unterschiedlich und oftmals zum Nachteil der Beschäftigten ausgestaltet werden. Zusätzliches Personal in den Schulen darf nicht auf Stellen für Lehrkräfte geführt werden, sondern muss „on top“ gesetzt werden, nur so kann dieses Personal tatsächlich entlastend wirksam werden.
d) ... „ein Konzept zu einem modernen Arbeitsplatz Schule entwickeln“:
Die Argumentationen zur Stärkung der Schulautonomie sowie zum angedachten Konzept einer „Doppelspitze“ sind in Teilen lückenhaft und werfen Fragen auf, wie etwa: Was genau meint ein „zeitgemäßes Personalmanagement statt Abordnungen“, was bedeutet eine „zeitgemäße Arbeitsplatzausgestaltung“, wie genau sieht das Gedankenkonstrukt einer „höheren Schulautonomie“ in der Praxis aus? Eine Autonomie von Schulen, die einen höheren Verwaltungsaufwand nach sich zieht, wäre eher kontraproduktiv. Eine stärkere Autonomie der Schulen in pädagogischen und schulorganisatorischen Fragen hingegen wäre sicherlich erstrebenswert.
Eine Unterstützung in der administrativen Arbeit (bspw. durch Schulverwaltungsassistenzen) der Schulleitungen erscheint sinnvoll, die pädagogische Arbeit allerdings sollte im Zentrum des Lebens- und Lernortes „Schule“ stehen – schließlich sind pädagogische und administrative Aufgaben für Schulleitungen untrennbar miteinander verbunden. Wir empfehlen von daher, die Idee der doppelten Leitungsstellen vor allem hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu überdenken und regen dazu an, entlastende Maßnahmen für die bestehenden Schulleitungen zu entwickeln, die auch dazu
beitragen, die besorgniserregend hohe Zahl von vakanten Schulleitungsstellen zu reduzieren (u.a. durch Entbürokratisierung, Wegfall der Unterrichtsverpflichtung, mehr Leitungszeit für Konrektorinnen und Konrektoren, bessere Besetzung der Sekretariate und des Gebäudemanagements). Zu einem modernen Arbeitsplatz gehört für den VBE NRW ohne jeden Zweifel auch die überfällige Angleichung der Bezahlung von Schulleitungen sowie eine Besserstellung der Beförderungsämter. Darüber
hinaus sind insb. auch die Fachleitungen zu berücksichtigen, denn ohne professionelle Anleitungen werden professionelle Lehrkräfte zunehmend fehlen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass dringender Handlungsbedarf zur Attraktivierung des Arbeitsplatzes „Schule“ besteht, damit einerseits junge Menschen für dieses Berufsfeld begeistert werden und andererseits die Kinder und Jugendlichen in den Schulen begeistert lernen. Es gilt: starke Bildung – starke Menschen.
Dortmund
Anne Deimel, Stefan Behlau
Landesvorsitzende VBE NRW
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