Schulen wissen, was nötig ist
Wir brauchen mehr originäre Lehrkräfte
Kinder bedürfen einer ganz individuellen und breit gefächerten Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist die Heterogenität in der Schülerschaft aber immer größer geworden. Ein Problem ist die Klassen- oder im Kindergarten die Gruppengröße. Die Kinder sind auf einem sehr unterschiedlichen Lernstand. Weil die Klassen aber sehr groß sind, kann die Lehrkraft oft gar nicht so individuell auf die Kinder eingehen, wie sie es gerne täte und diese es bräuchten. Wenn es denn überhaupt eine studierte Lehrkraft ist, denn auch das ist heute nicht mehr immer gegeben. Wir bräuchten viel mehr Zeit, viel mehr Räume für eine Unterstützung in Kleingruppen und wir bräuchten auch wieder mehr ausgebildete Lehrkräfte, übrigens nicht nur für Deutsch, sondern für alle Fächer. Nur so kann man den Kindern gerecht werden.
Mehr Mittel für familiäre Begleitung nötig
Hinzu kommt die weitere Aufgabe für die Lehrkräfte, die Sprachvielfalt der Kinder mit Zuwanderungshintergrund, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, für die Lernentwicklung zu nutzen. Die Spracharmut nimmt im Übrigen aber auch bei Kindern zu, die Deutsch als Herkunftssprache haben. Da fehlt oft ganz viel Unterstützung, teilweise von den Eltern, aber auch von der Politik. Es bräuchte mehr Mittel in der familiären Begleitung, aber auch im vorschulischen Bereich, also in den Kindergärten. Auch hier ist der Fachkräftemangel mehr als spürbar.
Schulen benötigen mehr Ressourcen
Die Schulen machen sich oft selbst auf den Weg, weil die Probleme eben nicht neu sind. Sie haben eine sehr hohe Fachkompetenz und wissen, was nötig ist. Sie brauchen aber die personellen und finanziellen Mittel, um das auch leisten zu können. Die Methoden, wie man als Lehrkraft Kindern Lesen beibringt, sind bekannt. Uns fehlen schlichtweg die Ressourcen, um jedem Kind so gerecht zu werden, wie wir es gerne wollen. Wir beklagen das seit Jahren und gehen in den Schulen eigene Wege, aber das reicht eben nicht aus. Die Schulen helfen sich selbst, es gibt zum Beispiel Projekte mit Ehrenamtlichen, die den Kindern vorlesen oder die Kinder mit besonderem Bedarf Einzellesestunden außerhalb der Unterrichtszeiten geben. Auch Eltern oder Großeltern helfen in Schulen aus, an meiner Schule halten sie zum Beispiel den Büchereibetrieb am Laufen, sodass die Kinder nicht die Neugier an Büchern verlieren.
Vorbild sein
Denn auch das spürt man, viele Eltern lesen selbst nicht mehr so viel. Lesen ist in der Lernphase anstrengend, man muss sich konzentrieren, sich Zeit nehmen und bewusst Text verstehen. Alles, was mit Lernen zu tun hat, ist mit Anstrengung und Anstrengungsbereitschaft verbunden und die entwickelt man nur durch Freude. Wenn Eltern selbst keine Freude mehr am Lesen haben, dann ist es schwierig, das Kindern zu vermitteln und als Vorbild zu dienen.
Da werden auch die jetzt beworbenen Materialien des Ministeriums nichts ändern. Es kann bestimmt, gerade für Schulen mit wenig ausgebildeten Lehrkräften, gut sein, diese Materialien noch einmal ins Gedächtnis zu rufen und hier Unterstützungsmöglichkeiten zu schaffen. Aber alle Schulen im Gleichklang zu fahren, ist überhaupt nicht das, was wir aus der Praxis für nötig halten. Es braucht individuelle Begleitung. Ich frage mich auch, wie man die vorgeschriebenen dreimal 20 Minuten pro Woche in den Unterricht integrieren soll, wenn überhaupt nicht die Ressourcen dafür da sind. Die Pläne sind unrealistisch und an der Praxis vorbei, da sind wir in vielen Schulen schon weiter. Wir schauen auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes, erstellen eine Diagnose und entwickeln dann einen ebenso individuellen Förderplan. Da hilft uns eine gleichschrittige Methode nicht weiter. Wichtiger wäre es bestimmt, die Personen, die das Lehramt nicht studiert haben und täglich in der Klasse stehen und das Fach Deutsch unterrichten, hierfür auch gut zu qualifizieren.
Alle müss(t)en an einem Strang ziehen
Auch die Sprachstandserhebung vor Schulantritt, Delfin 4, für Kinder, die den Kindergarten nicht besucht haben, zeigt, welche Fehler die Politik hier macht. Die vierjährigen Kinder werden zur Beurteilung des Sprachstands geprüft und im Falle eines Rückstandes wird dann eine Förderung empfohlen, aber häufig passiert dies eben nicht. Die eigentlich daran anknüpfende Sprachförderung wird meistens überhaupt nicht erteilt. Wenn die Eltern nicht selbst hinterher sind und keine weiteren Auflagen erfolgen, dann ändert sich an der Sprachkompetenz bis zum Schulantritt nichts. Auch das liegt zum einen am Fachkräftemangel, aber eben auch an systemischen Fehlern.
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